Der aufmerksame Leser – eventuell ist er auch noch Biologe – wird jetzt vermutlich den Kopf schütteln und die berechtigte Frage stellen, wie ein Mensch überhaupt ein „Rudelführer“ sein könne. Denn ein Rudel ist eine Gruppe von Tieren, die miteinander verwandt sind (Rudel=gewachsene Gemeinschaft mit Elterntieren und Nachkommen unterschiedlichen Alters). Und da wir mit Sicherheit nicht mit unseren Hunden oder Katzen verwandt sind, können wir dementsprechend auch keine „Rudelführer“ sein. Denn nach strenger Auslegung dieser Definition leben ja nicht einmal in einem Rudel mit ihnen.

Auch unterscheidet sich das Sozialverhalten von Hunden, die ohne Menschen in einem Rudel leben von dem in einer menschlichen Umgebung. Ein weiterer Grund, weshalb wir mit unseren Hunden nicht in einem Rudel leben. 

Und das ist eine sehr gute Nachricht. Denn ohne Rudel wird auch kein (menschlicher) Rudelführer benötigt. Wir können damit die frühere Dominanztheorie ad acta legen und den gesamten Unsinn wie Streben nach der Weltherrschaft, Rangordnung, Unterordnungszwang und vieles andere einfach vergessen. Was für eine Erleichterung! Denn jetzt brauchte ich nicht mehr darauf zu achten, ob mein Hund vor mir aus der Tür in den Garten rennt. Und auch auf der Couch sitze ich nicht mehr auf unzähligen Kissen, um eine erhöhte Position gegenüber meinem Hund einzunehmen. Das Leben ist wirklich einfacher geworden ,-)

Im Zusammenleben mit Hunden (und Katzen) würde ich eher von einer Gruppe (=Ansammlung von Individuen) sprechen. Die Begriffe „Familie“ oder „Familienverband“ passen eventuell umgangssprachlich auch noch.  Vielleicht eine Art Patchworkfamilie, bei denen wir die Rolle der verantwortungsvollen Eltern einnehmen.

Und unsere Hunde haben die Rollen von etwa neun- bis elfjährigen Kindern, die allerdings nie erwachsen werden und zeitlebens von uns abhängig bleiben. Tierische Kinder, die unsere Zuneigung, Fürsorge, Schutz aber auch unsere Erziehung benötigen um sich in unserer urbanen Gesellschaft zurechtfinden. Aber eben auch Kinder, die uns bei gemeinsamen Unternehmungen in der freien Natur aufgrund ihrer viel besseren Sinnesleistungen häufig zeigen, was es alles zu entdecken und zu erleben gibt.

Besteht auch eine „Freundschaft“ zwischen Mensch und Hund?

„Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern“, schrieb Aristoteles – und Recht hat er. Die klassische Definition dieses Begriffes bezieht sich allerdings auf die Beziehung zwischen Menschen untereinander und nicht zwischen Mensch und Tier.

Über Begriff Freundschaft selbst finden sich schier unzählige Definitionen im Internet. Diese hier passt meiner Meinung nach sehr gut, wenn man die Beziehung zwischen Hund und Halter als „Freundschaft“ beschreiben möchte:

„Freundschaft bedeutet Liebe und Zusammenhalt. Ehrlichkeit und Vertrauen. Spaß haben und gemeinsame Interessen. Vertrauen, dass sie/er da ist wenn man sie/ihn braucht und man sich auf den anderen verlassen kann!“

Ich denke, dass man im Idealfall die Beziehung zwischen uns und unseren Hunden durchaus als eine Art Freundschaft bezeichnen kann. Man kann diesen Begriff sicherheitshalber in Anführungszeichen setzten – das wäre dann auch „politisch“ korrekt ,-) 

Viel wichtiger als Begrifflichkeiten sehe ich aber als Fazit: Wir müssen schon deshalb keine despotischen Anführer, keine „Alpha-Menschen“ sein, weil es unabhängig vom Begriff „Rudel“ den klassischen Rudelführer, der über alles und jeden entscheidet, weder bei den Wölfen noch bei den Hunden tatsächlich gibt.

Allerdings ist es für uns als Halter sinnvoll und auch notwendig, die verantwortungsvolle Rolle eines Elternteils einzunehmen, welches auf das körperliche und geistige Wohlergehen des Hundes achtet, ihn beschützt und ihm durch Erziehung und Training Sicherheit vermittelt, damit er auf Umweltreize gelassen reagiert und sich jederzeit bei uns geborgen und zugehörig fühlt.

Das ist zugegebenermaßen nicht immer eine leichte Aufgabe. Aber mit etwas Übung, Einfühlungsvermögen, Geduld und Konsequenz – oder auch mit ein wenig fremder Unterstützung – durchaus zu bewältigen.

Als Lohn für diese Arbeit erhalten Sie einen treuen Kameraden (diesmal ohne Anführungszeichen), der Sie praktisch überall hin begleitet. Der Sie niemals im Stich lassen wird und auf den Sie sich immer und zu 100% verlassen können…